Guter Geschmack lässt sich erlernen!

Weinsensorik-Lehrgang des Deutschen Weininstitutes an der BBS Boppard

„Wein ist Poesie in Flaschen“ schrieb der Schriftsteller Robert Louis Stevenson und spielte damit auf die unvergleichlich vielfältige, komplexe und kunstvolle Geschmacksstruktur dieses flüssigen Kulturgutes an. Wie Poesie muss man auch den Wein genießen und auf sich wirken lassen können.

Dazu gehört, den sensorischen Reichtum des Weins mit der Nase, dem Auge, der Zunge und dem Gaumen zu erschließen und fachgerecht zu beschreiben. Für alle, die professionell mit Wein zu tun haben, ist das ein Muss: zum Beispiel für Fachkräfte in der Gastronomie. Daher richtete die BBS Boppard für ihren berufsschulischen Nachwuchs in der Hotel- und Gastronomiebranche den Lehrgang „Weinsensorik“ aus. Als Referentin konnte die Schule über das Deutsche Weininstitut Bodenheim die erfahrene Weinakademikerin Verena Herzog gewinnen.
„Welche Geschmacksnoten schmecken Sie heraus?“ – so lautet die Leitfrage in der Weinsensorik, mit der Verena Herzog in das Seminar einstieg, nachdem sie einen rheinhessischen Grauburgunder 2022 zum Avinieren ausgeschenkt hatte. Und mit der Antwort darauf begann die Herausforderung für die Teilnehmenden des Seminars, denn das geschmackliche Universum des Genuss- und Kulturgetränks Wein ist äußerst komplex, vielfältig und anspruchsvoll. Angefangen bei der Farbe über den Geruch bis hin zur Vielfalt an aromatischen Substanzen erstreckt sich das weinsensorische Sensibilitätstraining. Allein das Aromaspektrum „fruchtig“ umfasst ein gutes Dutzend Aromanuancen von grüner Frucht über reife und tropische Frucht bis hin zur Beeren- und Trockenfrucht. Aroma- und Inhaltsstoffe des Weins bieten genug Herausforderungen für jahrelange Weiterbildung.

Klar ist: Soll die Antwort auf die eingangs gestellte Frage sich nicht auf ein spontanes Ratespiel beschränken, müssen Sach- und Beratungskompetenz in Sachen Wein erworben werden. Dies gilt insbesondere für die oft noch jungen Auszubildenden im Hotel- und Gastronomie-Wesen. Genau hier setzt die Initiative der BBS Boppard an, die ihren Hotel- und Gastronomieklassen in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Weininstitut seit Jahren die zwei Zertifikatslehrgänge „Anerkannter Berater für Deutschen Wein“ und „Weinsensorik“ anbietet. „Ich bin sehr froh, dass wir in diesem Jahr wieder das Weinseminar mit dem Deutschen Weininstitut für unsere Auszubildenden im Hotelfach durchführen können“, zeigte sich Monika Klee aus der Schulleitung sehr erfreut. Und sie sollte nicht enttäuscht werden: Die Referentin vermittelte praxisnah und anschaulich Grundkenntnisse über den Kosmos professionellen Weinschmeckens.
Dabei ging es zum Beispiel um die Schulung des eigenen Geschmackssinns: Wo liegen die persönlichen Schwellenwerte für die Grundgeschmacksrichtungen „süß“, „sauer“ und „bitter/herb“? Neun Probierbecherchen mit Wasserproben stellte Verena Herzog jedem Teilnehmenden bereit: „Ordnen Sie die einzelnen Wasserproben den Geschmacksqualitäten zu.“ Und los ging es: „Gar nicht so leicht“, bekam sie schnell zu hören, denn die Teilnehmenden mussten sich sehr auf die unterschiedlichen Geschmacksnuancierungen konzentrieren, um eine Zuordnung vornehmen zu können. Weiter ging es zu den zentralen Inhaltsstoffen des Weins – Alkohol, Säure und Süße –, die in ihrem Zusammenspiel den Gesamteindruck des Geschmackserlebnisses maßgeblich prägen. Ein besonderer geschmacklicher Reiz geht zudem von den jeweiligen Verarbeitungs- und Reifephasen des Weins aus, in denen er unterschiedliche Aromen entwickelt. „Hier gilt es, Primär-, Sekundär- und Tertiäraromen voneinander abzugrenzen“, erklärte Herzog. „Primäraromen bilden sich in Abhängigkeit von der entsprechenden Traubensorte aus, sind also bereits in der Traube enthalten. Sekundäraromen entstehen während der Vinifizierung, d.h. des Verarbeitungsprozesses im Weinkeller. Tertiäraromen entfalten sich schließlich im Verlaufe der Lagerung.“ Dies erklärt, warum der Wein seinen Geschmack ändert und in jedem Jahr seines Alterns anders schmeckt.
Mit Leidenschaft und hoher Sachkompetenz steckte Verena Herzog die Auszubildenden mit ihrer Begeisterung für das Ergründen sensorischer Finessen im Wein an. Ein gutes Dutzend verschiedener Weine wurden probiert und sensorisch nach Aussehen, Geruch und Geschmack beschrieben. Zur Unterstützung dafür kamen das Aromarad und ganze Bögen von Degustationsblättern zum Einsatz: Beide Instrumente geben eine wertvolle Hilfestellung, um das Geschmackserlebnis Wein möglichst differenziert und systematisch sprachlich zu erfassen. Und was bringt das Ganze? „Das Tages-Seminar dient als erster Einblick in die Herausforderung, Wein qualifiziert und möglichst objektiv vergleichbar zu beschreiben“, erläutert Herzog. Und dieser Einblick ist dem Gastronomie-Nachwuchs der BBS Boppard trefflich gelungen.