„Glück ist was für Reiche und Verliebte“ – oder nicht?
Im Sommer gastierte auf Einladung des Vertrauenslehrers Per Layendecker das Berliner Theater-Ensemble Radiks auf seiner Rheinland-Pfalz-Tournee mit Karl Kochs Theaterstück „Wir waren mal Freunde” an der BBS Boppard. Das Stück verbindet in einer ebenso lebendigen wie sprachlich ansprechenden Inszenierung aktuelle Themen jugendlicher Erfahrungswirklichkeit mit der Aufarbeitung einer fremdenfeindlichen Straftat.
Berliner Theaterproduktion „Wir waren mal Freunde“ an der BBS Boppard
„Wir waren Freunde“ zog das Publikum in dem bis auf den letzten Platz besetzten Aufführungssaal der Schule in seinen Bann. Dazu trug neben der kurzweiligen und engagierten Darbietung in jedem Fall auch die sehenswerte schauspielerische Leistung von Liane Steinnagel und Tom Pilath bei, die während der Aufführung in alle sechs Rollen schlüpften.
„Wir waren mal Freunde“ präsentiert mit Joscha, Melek, Marion und Murat vier Jugendliche, die in der Grundschulzeit eng befreundet waren und sich nunmehr in einem Netz gegensätzlicher Cliquen gegenseitig anfeinden und Vorurteile untereinander pflegen. Dabei prägen insbesondere Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Hass und Hetze, Gewaltbereitschaft und Frustration, aber auch die Sehnsucht nach Freundschaft und Respekt die Erfahrungen und Gefühle der handelnden Figuren. Der sechszehnjährige Joscha rettet einem Obdachlosen das Leben, indem er ihn aus einem brennenden Heim herausholt. Zunächst als Retter und Held gefeiert, gerät er wegen der Nähe seiner Schwester Marion zu rechtsextremen Kreisen schnell in Verdacht, selbst den Brand gelegt zu haben. Dafür wird er an der Schule sowohl gemieden und ausgegrenzt als auch von einschlägiger Seite gelobt. Er selbst schweigt, um seine Schwester zu schützen. Durch das Schweigen verstärkt er die Verdachtsmomente gegen sich und zieht den Missmut seiner ehemaligen Jugendfreunde Melek und Murat auf sich. Eine herausfordernde Spurensuche beginnt.
„Wir waren mal Freunde“ ist als eine dokumentarische Krimigeschichte angelegt, die in der Tradition sozial engagierten Jugendtheaters die emotionalen Verstrickungen Jugendlicher in dynamische Gewalt- und Hass-Spiralen präsentiert. Im Mittelpunkt stehen dabei Mechanismen sozialer Ausgrenzung ganzer Menschengruppen aufgrund konstruierter Vorurteile. Damit nimmt das Stück Menschen in den Blick, die nach diversen Frustrationen und Fehltritten an den Rand der Gesellschaft gelangen und irgendwann „ganz draußen“ sind, wie es die Figur Murat formuliert. Und für diese Außenseiter „ganz draußen“ ist Glück ein Fremdwort, es „ist was für Reiche und Verliebte“, wie es im Stück heißt. Und doch bleibt bei aller Frustration und Aggression die Sehnsucht nach Geborgenheit, Freundschaft und Vertrauen ungebrochen. Hoffnung auf ein bisschen Glück wird mit dem Ringen der Jugendlichen um den richtigen Umgang mit den Vorurteilen greifbar. Mit Murats Zusage an Joscha „Du bist ein Freund, auch wenn du manchmal Scheiße baust.“ scheint ein wenig von dem Glück auf, nach dem sich die Jugendlichen sehnen, denn „Die meisten wollen in Frieden leben”, stellt die Hauptfigur Joscha klar.
Das Stück konfrontiert die Schülerinnen und Schüler der BBS Boppard mit der Frage nach dem angemessenen Umgang mit Vorurteilen und Gewalterfahrungen. Dramaturgisch gekonnt treten die Figuren an ausgewählten Stellen aus ihrer Rolle heraus und regen das Publikum mit pointierten Provokationen wie „Was macht mehr Spaß? Helfen oder verarschen?“ oder „Helfen ist was für Langweiler und Klugscheißer!“ zu kritischer Reflexion an. „Mich hat die Aufführung fasziniert“, zeigte sich Vertrauenslehrer Per Layendecker begeistert von dem Theatervormittag. Der lang anhaltende Applaus und die gespannte Aufmerksamkeit des Publikums bestätigten ihn. „Wir waren mal Freunde“ von Karl Koch in der Inszenierung des Theaters Radiks – eine absolut empfehlenswerte Schulveranstaltung!